Sonntag, 20. März 2022

Rhetorik von den alten Meistern lernen: Schopenhauer

Sind Sie auch begeistert von Personen, die auf jeden Angriff eine Antwort parat haben? Oder wenn der Talkmaster den Gast zum Kochen bringt, indem er Übertreibungen gegen-formuliert? Wo kann man so etwas lernen?

Wer ein bisschen in der Literatur sucht, wird auf einen sehr alten Klassiker stoßen. In Arthur Schopenhauers Briefen zur eristischen Dialektik geht es um die Ursache-Wirkungsketten in der rhetorischen Auseinandersetzung.
Eristik, was ist das für ein Begriff? Er leitet sich ab von „Eris“, der Göttin der Zwietracht und des Streits. Eristik ist nämlich die Kunst des Streitgesprächs und bedient sich ein wenig der Dialektik von Aristoteles. 


Schopenhauer nennt es selbst die "Kunst, Recht zu behalten". Wahrscheinlich ist es genau das, was uns heute als Schlagfertigkeit fasziniert. 

Das Original-Werk ist nicht nur sehr umfangreich sondern ebenso abstrakt. Nicht gut zu lesen. Ich möchte Ihnen deshalb in loser Folge die Ideen Schopenhauers hier nahe bringen. 
 

 

Kunstgriff 2: Die Homonymie nutzen (Homonyme: der gleiche Wortkörper für zwei verschiedene Sachen)
 
Es geht darum, die aufgestellt Behauptung auch auf das auszudenhnen, was außer dem gleichen Wort wenig oder nichts mit der in Rede stehenden Sach zu tun hat. Diese dann kukulent widerlegen und so tun, als ob man die Behauptung widerlegt habe.

Beispiel: 
Sprecher 1:
"Sie sind nicht eingeweiht in die Beeinflussungmöglichkeiten der Rhetorik?"
 
Sprecher 2: 
"Ach, wo Beeinflussung ist, will ich nichts zu tun haben."



 
Kunstgriff 3: Die Behauptung, welche relativ aufgestellt ist, nehmen wir, als sei sie allgemein oder absolut. Beispiel

Finanzminister: "Ich strebe für 2022 trotz der Corona-Krise einen ausgeglichenen Haushalt an."

Opposition: "Der Finanzminister macht also wieder Schulden."
 
Finanzminister zurück: "Die Opposition vergleicht mal wieder Äpfel mit Birnen." 

Montag, 30. Juli 2018

Rhetorik von den alten Meistern lernen: Cicero

In der Rubrik Rhetorik von den alten Meistern lernen widmen wir uns heute: Cicero. 




Er lebte von 106-46 v.Chr und studierte Rhetorik, Philosophie und Literatur in Rom.

Aufgrund seiner Erfahrungen als Redner sah Cicero sein Bildungsideal als den perfekten Redner an. Er bezeichnete ihn als "orator perfectus".
 

Und so sah Cicero die ganzheitliche Bildung für seinen orator perfectus in drei Kriterien verwirklicht:


1. natura: die natürlichen Anlagen des Menschen wie Intelligenz, Beweglichkeit und körperliche Vorzüge, 

2. ars: die Kenntnis der theoretischen Grundlagen der Rhetorik, 

3. exercitatio: die nötigen Übungen um die geistigen und körperlichen Fähigkeiten zu trainieren, die für die Rede von Bedeutung sind.

Zudem müse der perfekte Redner über jedes Thema reden können, also ebenso in der Philosophie gebildet sein, um den Redner in seiner Funktion als Darsteller und Gestalter der Wahrheit zu rechtfertigen.

Seine Reden dürfen ausschließlich im Dienste des Guten gebraucht und können nur so verantwortet werden, womit klar wird, dass die Ethik einen hohen Stellenwert bei Cicero hat (Quelle: Wikipedia).

Meine Anmerkung dazu: viele Führungskräfte habe da einen zum Teil gewaltigen Nachholebedarf. Spannend wird es, wenn neue Techniken wie Videobotschaften, noch stärker zum Einsatz kommen. 

Wir setzen diese Folge fort!







Sonntag, 8. Juli 2018

Wie der Vorwurf „Lügenpresse“ entsteht

Ich traute meinen Augen kaum. Das stand in der Überschrift sinngemäß „Hund in der Hitze im Auto gelassen - was hat  Helene Fischer damit zu tun“. Natürlich hat Helene Fischer damit nichts zu tun.  Aber es macht sich doch in so einer Titel-Überschrift prima, wenn der meistgesuchte Künstlername Deutschlands dort auftaucht.

Es ist noch nicht solange her, dass aus politischen Gründen Menschen auf die Straße gingen und den Medien den Vorwurf „Lügenpresse“ zugerufen haben. Seriöse Journalisten waren ratlos, die wirklichen Urheber haben sich still verhalten.

Worum geht es? In jedem Rhetorikkurs und jeder Journalistenschule beschäftigt man sich mit dem Thema des Titels und seiner Ausdrucksweise. Und vor allem: der daraus entstehenden Wirkung. Es geht darum, eine möglichst große Aufmerksamkeit des Publikums oder der Leserschaft zu gewinnen.

Wir bezeichnen es übrigens als Druckpunkt der Kommunikation. Doch die Kreation von wirkungsvollen Titeln darf den Rahmen der wahrheitsgemäßen Logikkette nicht verlassen. Überschrift und die ersten vier Sätze müssen den Inhalt wiedergeben!

Was aber, wenn die mediale Kommunikation glaubt, nur durch bedingungsloses Folgen nach Such-Algorithmen bestehen zu können?

Was hat also Helene Fischer mit einem Besucher zu tun, der ihr Konzert besucht und im Auto seinen Hund lässt? Natürlich nichts. Wer käme wohl auf die Idee eine Überschrift zu entwerfen wie: „Mann lässt Hund im Auto. Was hat Penny damit zu tun?“, nur weil das Fahrzeug auf einem Penny-Parkplatz stünde? Wahrscheinlich niemand.

Je größer die Reputation der einzelnen Begriffe in zentralen Botschaften, desto größer die Klickzahl und gegebenenfalls auch die finanzielle Werbequote. Wenn die Logik dabei verletzt wird, dann wird auch der normale Konsument zum großen Kritiker. Auf gut deutsch: das Volk fühlt sich „verarscht“, bestenfalls getäuscht und antwortet mit dem Vorwurf der „Lügenpresse“. Und dann ist dieser Vorwurf auch nicht von der Hand zu weisen.

Bleiben wir also (hoffentlich) gut, bescheiden aber vor allem eins: ehrlich.

Hier geht es zu drei Nachweis-Links:

https://www.tag24.de/nachrichten/gelsenkirchen-hund-leidet-bei-hitze-im-auto-besitzer-auf-konzert-von-helene-fischer-674591

https://www.wa.de/stars/ruecksichtslose-helene-fischer-fans-sorgen-fuer-stadiondurchsage-und-polizeieinsatz-in-gelsenkirchen-zr-10015151.html

https://www.derwesten.de/staedte/gelsenkirchen/helene-fischer-konzert-schalke-arena-gelsenkirchen-hund-feuerwehr-id214777315.html







Dienstag, 31. Oktober 2017

Rhetorik von den alten Meistern lernen: Martin Luther

Wir verbinden mit Martin Luther die Reformation. Heute genau wurden vor 500 Jahren wurden die berühmten Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche geschlagen.

Im Frühjahr 1501 begann Luther sein Studium an der Universität in Erfurt. Er besuchte wie im Mittelalter üblich zunächst die Artistenfakultät, die Grundkenntnisse in Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie vermittelte. Im Januar 1505 schloss Luther mit dem „Magister artium“ seine akademische Grundausbildung ab. 

Wir kennen Luther dann als Universitätsprofessor, wohl als einer der berühmtesten zu seiner Zeit auf der Welt. Er beschäftigte sich mit den Finanzierungspraktiken der Kirche, die sich auf den Ablass stützten. 

In diesem Blog ist es für uns aber auch interessant, dass Luther in seiner Universität auch selbst Rhetorik gelehrt hat. Seine Berühmtheit geht nicht nur auf seine Schriften zurück, sondern auch auf Auseinandersetzungen im gesprochenen Wort im Kontext seiner reformatischen Gedanken.

Luther war mit dem Volk vertraut und sprach volkstümlich, jedoch ohne Populismus. In seinem Grundstudium hatte er in den "Sieben freien Künsten" Rhetorik und Dialektik studiert, in Disputationen seine Argumentationsfähigkeit und Schlagfertigkeit gezielt geschult. In seinen seinen Vorlesungen und Predigten verwendete Luther meist eine Stichwort-Gliederung. Um Studenten und die Gemeinde präzise zu beeinflussen, benutzte er eine Sanduhr zur Zeitkontrolle.

Luther beherrschte verschiedene Redeformate. Neben der Predigt natürlich die Vorlesung und die Disputation mit Fachkollegen. Er wandte die Verteidigungsrede genauso an, wie die Polemik. Auch das geistvolle Tischgespräch gehörte zu seinem Repertoire.

Der Zusammenhang zwischen seinen Schriften und seinen Predigten macht deutlich: Sprechen und Schreiben, Schreiben und Sprechen bilden bei Luther eine Einheit. Ausgangspunkt ist dabei durchweg die gesprochene Sprache.

Geblieben sind viele Aussprüche, die auf ihn zurückgehen sollen. Stellvertretend sei der für die Grundsätze der Rhetorik genannt:

"Tritt fest auf, mach`s Maul auf und hör`bald wieder auf!"



"

Mittwoch, 27. September 2017

Die neue Rhetorik der Andrea Nahles

Sprache ist ein Geschenk der Geschichte eines Landes. Natürlich verändert sich Sprache. Dieser sogenannte Sprachwandel hat ökonomische, technische und gesellschaftliche Ursachen. Es hat der deutschen Sprache immer gut getan, die Sprache rational und verantwortungsbewusst weiterzuentwickeln. Meistens gingen wir damit behutsam vor (Diktaturen einmal ausgenommen).

Doch was passiert gerade jetzt in den letzten Wochen vor der Bundestagswahl und danach?

Heute antwortet Andrea Nahles auf die Frage, wie es ihr nach dem Wechsel aus dem Kabinett in die Opposition geht, mit der Bemerkung: "Ein bisschen wehmütig. Und morgen kriegen sie in die Fresse." 

Mit sie meinte Andrea Nahles die Kollegen Minister, von denen sie selbst sich gerade vor ein paar Minuten per Handschlag verabschiedet hat. Eigentlich will ihre Partei, die SPD, eine Traditionspartei sein. Natürlich. An den Stammtischen der Arbeiter sagt man das so: in die Fresse kriegen. Aber als Ministerin a. D.? 

Und diese Stammtische von früher gibt es auch nicht mehr. Tradition bedeutet vor allem, mit seiner eigenen Geschichte verantwortungsbewusst umzugehen und diese aktiv weiterzuentwickeln. 

Wenn die Bemerkung von Andrea Nahles zu aktiver Weiterentwicklung unserer Sprache gehören sollte, habe ich hier demnächst noch viel zu schreiben!



 

Sonntag, 24. September 2017

Gaulands Kampfrhetorik

Das vorläufige Ergebnis der Bundestagswahl kommt nicht ohne Erwartung. 

Was mich erstaunt, ist die Kampfrhetorik von Alexander Gauland, die offenbar Millionen Wähler nicht abgeschreckt hat. Und am Wahlabend legt er bei den Provokationen sogar nach. Beispiele gefällig?

„Wir werden Frau Merkel jagen...“ 
Jagen tut man ein Tier, das dann schlussendlich getötet wird. Das ist keine Rhetorik einer Demokratie, sondern die Rhetorik einer Diktatur. Das Problem von Kamprhetorikern besteht darin, dass sie grundsätzlich davon ausgehen, im Recht zu sein. Der Redner will sich garnicht inhaltlich auseinandersetzen. Er will absolute Macht, oder er will Zerstörung.

Bereits Aristoteles befand Kampfrhetorik als ethisch ausgesprochen problematisch. Der Redner benutzt die Kampfrhetorik nicht, um im rhetorischen Wettstreit Erkenntnisgewinn zu erlangen, sondern lediglich seine eigene Meinung durchzudrücken oder das Auditorium zu spalten.

Eine bisweilen starke Färbung der Rhetorik in diktatorische Rhetorik besteht in dem Gauland-Satz „Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“

Mein Kommentar dazu: Deutschland, sei wachsam!



Sonntag, 3. September 2017

TV-Duell: Das Problem des Martin Schulz

Im TV-Duell wird das Problem des Martin Schulz sehr deutlich. Es handelt sich um ein rhetorisches Problem. Ob es ein inhaltliches Problem gibt, kann und will ich nicht beurteilen. Aber die Rhetorik von Martin Schulz möchte ich kurz beleuchten.

In nahezu allen Statements startet Schulz mit vehementen Worten und ich denke spontan, das kommt rhetorisch ganz gut und dann... Dann schließt er nicht ab. Martin Schulz kommt nicht zum Punkt. Ab und zu gelingt es ihm, eine Kernaussage zu formulieren. Aber ganu in diesen Fällen belässt er es nicht bei dieser Aussage. Er macht, wie Rhetoriker sagen, wieder auf und redet weiter und weiter und weiter. Damit wird die Kernaussage entweder zerstört, oder zumindest weich gemacht. 

Diese Beobachtung zieht sich durch das gesamte Interview. 

Hinzu kommt folgendes: Während wir von Angela Merkel eine sparsame Körpersprache gewohnt sind, könnte Martin Schulz in diesem Bereich punkten. Doch genau das versäumt er. Seine Bewegungen sind in der Vielfalt reichhaltiger, aber er bricht in der Bewegung ab. 

Diese Beobachtung teile ich übrigens mit dem Körpersprachen-Trainer #StefanVerra.

Somit stellt sich mir die Frage: Will er wirklich, oder bleibt er provinziell? Aus meiner rhetorischen Sicht: Hier tritt politische Erfahrung gegen einen Versuch an. Der Versuch bleibt immer auf der Strecke und schließt nicht ab. Bis hin zm Schlusswort.

Wie haben Sie das TV-Duell aus rhetorischer Sicht gesehen? Schreiben Sie mir!